Der wurzelbehandelte Zahn – ein unterschätztes Gesundheitsproblem?

Der Trend zur Zahnerhaltung hat sich in den letzten Jahren durch neue Behandlungsmethoden, innovative Arbeitstechniken und verbesserte Materialien deutlich weiterentwickelt. So gibt es auch in Deutschland eine immer größere Gruppe von Spezialisten, die mit Hilfe von Operationsmikroskopen, Ultraschall, verschiedensten Aufbereitungsinstrumenten und Wurzelfüllmaterialien, sowie konservierenden oder prothetischen Maßnahmen heute Zähne wiederherstellen und erhalten können, die noch vor einigen Jahren „der Zange“ zum Opfer gefallen wären. Durch die Endodontie und auf Grund moderner Konzepte ist die Evidenz basierte Zahnmedizin heute in der Lage, Zähne deutlich länger zu erhalten. Da nach Meinung der Patienten kein noch so verträglicher Zahnersatz so gut sein kann wie die eigenen Zähne, messen immer mehr Patienten dem Erhalt der eigenen Zähne auch einen besonderen Stellenwert bei.
Prinzipiell ist der Trend zu einer höheren Gewichtung der Zahnerhaltung sicherlich zu begrüßen. Gerade bei wurzelbehandelten Zähnen sollte man als Patient und insbesondere als Therapeut sich jedoch auch die Frage stellen, wie gesundheitlich sinnvoll es ist, einen zerstörten Zahn mit allen möglichen Massnahmen zu erhalten und insbesondere jeder chronisch Erkrankte ist gefordert, individuell für sich eine sehr sorgfältige Risiko/Nutzen-Abwägung zu betreiben.
Denn: Nicht alles, was zahnmedizinisch heute machbar ist, ist für jeden Patienten gesundheitlich sinnvoll!
Jeder Zahn ist im Versorgungssystem des Organismus integriert. In einem feinen, stark verzweigten Kanalsystem im Innern eines jeden Zahnes laufen kleinste Blutgefäße zur Ernährung des Zahnes und zum Abtransport von Stoffwechselschlacken aus dem Zahn, sowie ein stark verzweigtes Nervengeflecht zur Reizübertragung (Bild 1). Auf Grund von mechanischen (Stoß, Schlag, Traumen etc.), thermischen (z.B. Überhitzung durch zahnärztliche Schnellläufer), bakteriellen (durch tiefe Karies) oder chemischen Reizen (tiefe Kunststoff-/Amalgamfüllungen, Füllungs-Kleber etc.) kann es zur Erkrankung des Zahnmarks (Zahnpulpa) im Wurzelkanalsystem kommen. Das Erkrankungsspektrum reicht dabei von einer nicht oder kaum schmerzenden, chronisch entzündlichen Form der Zahnpulpa bis hin zu einer massiven Entzündung mit heftigsten Schmerzen. Jede Entzündung endet in der Regel aber früher oder später in einem Absterben der Zahnpulpa mit anschließendem Zerfall des Zahnmarks.

Ob schmerzhaft oder nicht: Jeder nervtote Zahn belastet den Organismus, stresst das Immunsystem und schränkt damit die Regenerationsfähigkeit des Körpers, auf krankmachende Reize adäquat reagieren zu können, auf mehrfachen Wegen ein.
Gesundheitlich relevante Einflüsse von wurzelbehandelten Zähnen:
Nach dem Absterben des Zahnnervs versucht der Zahnarzt zur Erhaltung dieses toten Zahnes das Wurzelkanalsystem aufzubereiten, zu säubern und zu desinfizieren.
Je nachdem, ob ein einwurzliger Zahn mit gerader Wurzel oder ein mehrwurzliger Zahn mit mehr oder minder gekrümmten Wurzeln behandelt werden soll und ob der Zahn im vorderen, gut zugänglichen Mundbereich oder mehr im hinteren Backenzahnbereich steht, ist dieser mechanische Vorgang verschieden schwierig. Insbesondere Backenzähne haben zudem eine sehr variable Wurzelanzahl, so dass manchmal schon rein anatomisch nicht alle Kanäle erfasst, sauber aufbereitet, gereinigt und desinfiziert werden können. Die dort verbleibenden Reste des ehemaligen Zahnnervs, werden durch den Eiweißzerfall zu Mercaptan und Thioäther, vereinfacht „Leichengiften“, abgebaut, die jedoch leider nicht im Zahn eingeschlossen bleiben, sondern in Minidosen in den Organismus gelangen und dort über verschiedene Wege zu immunologischen Belastungen führen mit Auswirkungen auf Stoffwechsel, Haut, Organ- und Hormonsystem. Des Weiteren bildet der Organismus eine erhöhte Anzahl freier Radikale mit zerstörerischen Wirkungen auf Zellen und Zellorganellen.
Ein nervtoter Zahn ist somit immer ein toxikologisches Depot und damit ein gesundheitliches Dauerproblem, solange er im Mund verbleibt.
Jeder wurzelbehandelte Zahn ist nachweisbar bakteriell infiziert. Diese Mikroorganismen treffen im Kanalsystem auf ideale Wachstumsbedingungen, kolonisieren es in Form eines Biofilms und sind gegen Desinfektions-Spülungen sehr resistent. Somit sind nervtote Zähne immer eine bakterielle Infektionsquelle mit Folgereaktionen verschiedenster Art. Sie schwächen die immunologische Abwehr und erhöhen somit die individuelle Infektionsbereitschaft.
Des Weiteren produziert jedes Bakterium im Wurzelkanal durch seinen Stoffwechsel Exotoxine und setzt bei seinem Zerfall Endotoxine frei, die zusammen mit den Mercaptanen und Thioäther summierend und/oder potenzierend das toxische Geschehen eines nervtoten Zahns permanent aufrechterhalten.
Ein weiteres Gesundheitsproblem ist, dass das „Leichengift“ Mercaptan eine hohe Affinität zu Quecksilber (z.B. aus Amalgamfüllungen, Umweltbelastung etc.) aufweist und mit diesem zu Dimethylquecksilber (CH3-Hg-CH3) reagiert, ein hochtoxischer Stoff, der bis zu 200 verschiedene Enzyme hemmt. Er beeinflusst sehr nachhaltig die körperlichen Energiereserven und ist somit für eine Minderung der Zellfunktionen und für eine Störung im Energiehaushalt verantwortlich.
Für Amalgamträger, die ja eine permanente „Quelle“ für Quecksilber im Mund mit sich tragen, sollten deshalb nervtote Zähne noch kritischer hinterfragt werden, denn Dimethyl-Quecksilber ist eines der stärksten Neurotoxine.
Ist das Wurzelkanalsystem den Umständen entsprechend gesäubert, aufbereitet und desinfiziert, versucht der Zahnarzt, die Kanäle bakteriendicht zu verschließen. Dazu stehen ihm eine Reihe von Füllmaterialien zur Verfügung, denen eines gemein ist: Sie versuchen den Zahn zu erhalten, indem sie ihn konservieren. Das geschieht mit chemischen (z. B. Epoxidharzen, Isoprenen, Formaldehyd etc.) und pharmazeutischen (z. B. Jodoform, Cortison etc.) Konservierungsmitteln, die mit Füllstoffen wie Silber, Guttapercha, Titandioxid etc. versetzt sind. Allen diesen Wurzelfüllpasten ist gemein, dass sie für zelltoxisch, gewebsreizend und in vielen Fällen allergen sind.
In der Folge dieser toxischen und bakteriellen Belastung aus devitalen Zähnen reagiert das Immunsystem mit einer primär stillen, nicht schmerzhaften Entzündung. Es ist bewiesen, dass jeder wurzelbehandelte Zahn ein Infektionsherd mit hauptsächlich anaeroben Bakterien ist, in deren Folge immunologische Reaktionen in Form von Knochenentzündungen im Bereich der Zahnwurzel entstehen. So wurden im Bereich nervtoter Zähne ohne Ausnahme verschiedene Entzündungsfaktoren gefunden. Diese können über die Lymph- und Blutbahn im gesamten Organismus verbreitet werden und so, je nach individuell-konstitutioneller Abwehrlage, die verschiedensten, für die evidenzbasierte Medizin meist nicht nachvollziehbare Symptome und entzündlich-systemische „Nebenwirkungen“ in Form von chronischen Erkrankungen aller Art hervorrufen. Diese Auswirkungen können sehr verschiedenartig sein und sind nicht vorhersehbar.
So lange die Ursache dieser Entzündung – der wurzelbehandelter Zahn – im Kiefer verbleibt, können diese Entzündungen weder mit Antibiotika noch mit anderen Arzneimitteln dauerhaft geheilt werden.
Jeder nervtote Zahn ist ein informatorisches und energetisches Störfeld über das Grundregulationssystem und das System der Meridiane und damit auch ein chronisch degeneratives Störfeld im Sinn einer endogenen Störfeldbelastung.
Seit Voll, Kramer und Gleditsch, den Pionieren der Regulationsmedizin, ist bekannt, dass die Zähne im System der Meridiane bestimmte Zuordnungen haben. Durch deren Forschungen auf dem Gebiet der Elektroakupunktur wissen wir auch, dass gerade devitale Zähne durch ihre toxischen Eiweißzerfallsprodukte, lokalen Nekrosen und subklinischen Entzündungen einerseits, sowie durch die dentalen Werkstoffe in Wurzelfüllmaterialien andererseits, Störfaktoren mit übergeordneter Steuerungsfunktion darstellen.
Die „Qualitätskontrolle“ einer Wurzelbehandlung erfolgt in der Schulmedizin üblicherweise über eine Röntgenaufnahme (Bild 2). Diese kann aber logischerweise keine allergischen, toxischen, bakteriellen oder systemischen Auswirkungen eines nervtoten Zahnes zeigen.

Schulmedizinisch gibt es in erster Linie Labortests wie Lymphozyten Transformationstests (LTT) auf Wuzelfüllmaterialien, Tests auf die überdurchschnittliche Ausschüttung entzündlicher Botenstoffe (= Effektortypisierung ) durch die Leichengifte Mercaptan und Thioäther und auch Gentests über eine individuell vorliegende Entzündungsneigung des Patienten.
Der sog. „Orotox-Test“ ist ein semiquantitativer Test auf Toxine und gibt somit einen Anhalt für die Höhe der toxischen Belastung.
Ein LTT ist keinesfalls ein allgemeiner “Verträglichkeitstest“, wie er fälschlicherweise manchmal dargestellt wird. Er gibt ausschließlich an, ob eine Allergie auf ein Wurzelfüllmaterial vorliegt. Dieser Test erlaubt somit keinerlei Beurteilung über die toxische Einwirkung auf den Organismus.
Gleiches gilt bei der sog. Effektortypisierung. Dazu werden die Entzündungsmediatoren (Botenstoffe) auf einen Reizstoff (z.B. Mercaptan) bestimmt. Die überwiegend toxische Komponente der Belastungen aus wurzelbehandelten Zähnen kann damit aber auch nicht erfasst werden.
Schwachpunkt der labormedizinischen Testmethoden ist somit die Tatsache, dass chronisch toxische Belastungen durch die aufgeführten Tests nicht miterfasst werden können. Bioenergetische Testmethoden hängen leider immer auch von der individuellen Ausgangssituation des Testers oder der zu testenden Person ab, sind wissenschaftlich nicht anerkannt und können ebenfalls fehlerhaft sein.
Ein nervtoter Zahn ist für jeden Organismus ein toxischer, bakterieller und chronisch entzündlicher Hotspot. Das gesundheitliche Problem eines wurzelbehandelten Zahnes liegt darin, dass Giftstoffe über Jahre in Minimaldosen in den Organismus gelangen. Toxine können so die Synthese von Proteinen allmählich verändern oder Enzyme (und damit bestimmte Steuerungsfunktionen des Organismus) blockieren, was in der Folge wiederum zu sehr individuellen, oft für die Schulmedizin nicht nachvollziehbaren, Symptomen führen kann, je nachdem, welche Steuerung ausfällt. Somit ist jeder wurzelbehandelte Zahn eine mögliche Mitursache für jegliche chronische Erkrankung.
Toxische Hotspots entstehen durch den Verbleib von Resten des ehemaligen Zahnnervs, die in Mercaptane und Thioäther zerfallen, durch bakterielle Infektion, den Bakterienstoffwechsel in den Wurzelkanälen und durch die Inhaltsstoffe der Wurzelfüllmaterialien..
Belastend und blockierend wirken diese Toxine vor allem auf
- das Immunsystem und damit unsere Körperabwehr
- das Enzymsystem und damit unsere Körpersteuerung und unseren Stoffwechsel
- die Entgiftungsorgane,
- das Gehirn und Hormonsystem und damit auf die übergeordneten Steuerungssysteme
Jeder nervtote Zahn induziert somit eine Mehrfachbelastung im Sinn einer allergischen, entzündlichen und toxischen Problematik. Solange die körpereigenen Abwehrkräfte diese Belastungen tolerieren und somit noch kompensieren können, liegt es in der Entscheidung des aufgeklärten Patienten, wie er damit umgehen möchte.
Beim chronisch Kranken gelten strengere Regeln als beim Gesunden
Ist eine gesundheitliche Belastung schon so weit fortgeschritten, dass eine chronische Erkrankung (Rheuma, Fibromyalgie, Autoimmunerkrankung, Krebs etc.) bereits eingetreten ist, sollte spätestens ab diesem Zeitpunkt das oberste therapeutische Gebot sein, eine Entlastung des Immunsystems auf möglichst vielen Ebenen zu erreichen. Eine Zahn-Sanierung nach ganzheitlich-biologischen und umwelt-zahnmedizinischen Gesichtspunkten ist dazu ein wichtiger Bestandteil.
Achtung: Da die herkömmliche labormedizinische Diagnostik die toxische Belastung nervtoter Zähne mangels geeigneter Testverfahren nicht berücksichtigt, könnte die ausschließliche Orientierung an labormedizinischen Testergebnissen sowohl Therapeuten als auch Patienten in falscher Sicherheit wiegen.
Eine ausführliche Beschreibung der Einflüsse von Zähnen und zahnärztlichen Werkstoffen auf die Gesundheit, belegt mit zugehörigen wissenschaftlichen Studien, bietet das Buch „Hotspot Zahn“ (Elsevier-Verlag 2022)

Dr.med. dent. Johanna Graf ist Zahnärztin mit den Behandlungsschwerpunkten ganzheitlich-biologische Zahnmedizin und Umwelt-Zahnmedizin (praxis-dr-graf.de).
Sie studierte und promovierte an der Charité Berlin und begann 2012 ihre Ausbildung im Fachbereich Umwelt-Zahnmedizin und ganzheitlich-biologische Zahnmedizin in Straubing, München und Kreuzlingen/Schweiz. Seit 2015 ist sie Mitglied in der Praxis der Dr. Graf & Kollegen in Straubing/Niederbayern.
Dr. Johanna Graf ist Mitglied im Vorstand und Vorsitzende des AK Zahnmedizin in der Deutschen Gesellschaft für Umwelt- und Human-Toxikologie (dguht.de) und im wissenschaftlichen Beirat des Bundesverbandes Neurodermitis, sowie Mitglied des International College of maxilla-mandibular Osteoimmunology (ICOSIM) und der ISMI (international Society of Metal Free Implantology).
Sie ist Lehrbuchautorin („Hotspot Zahn“, Elsevier-Velag München 2022), Co-Autorin des Buches „Demenz – Prävention und Therapie“ (KVC-Verlag Natur und Medizin Essen 2019) und Fachautorin für medizinische Zeitschriften-
Sie hat sich spezialisiert auf Keramikimplantate, metallfreie, digitale Prothetik, sowie die Behandlung von degenerativen Kiefernekrosen (Nico).
Kontakt:praxis-dr-graf.de