Das Recht, keine Angst zu haben

Irrationale Angst ist die Krankheit des westlichen, zivilisierten Menschen. Sie ist wie ein Virus der sich einschleicht, sie ist ein Bestandteil, der nicht zum Leben gehören sollte. Irrationale Angst ist ein Fremdkörper. Sie ist etwas, das wir aufdecken,
bloßlegen, besiegen müssen.

Rationale Angst ist ein Bestandteil unseres Lebens. Wer meint, keine solche Ängste haben zu müssen, denkt illusionär.

Unsere menschliche Strategie ist die, der Angst auszuweichen, sie zu hintergehen, sie wegzuschieben, sie zu verdrängen. Wir müssen stark genug werden, um Gegenkräfte zu entwickeln, welche die Angst aufdecken. Dabei gilt es, sich mit der
Angst anzufreunden, sie zu akzeptieren.

Angst ist immer eine individuelle, persönlich Angst, die aus mir selbst kommt und von mir nach außen geht. Angst ist ein Warnsignal, ein Impuls, ein Gefahrenanzeiger, der in sich die Aufforderung enthält, die Ursache der Angst zu überwinden. Das Angstsignal setzt immer dort ein, wo ich einer Situation nicht gewachsen bin. Jeder Entwicklungsschritt, jeder neue Lebensabschnitt, alles Neue, Unbekannte, alles Fremde ist mit Angst besetzt. Stress ist Angst.

Ängste sind natürliche Bestandteile unseres Lebens. Aber wie gehen wir mit ihnen um?

Die reale Angst, die reale Gefahr, gilt es zu erkennen, um ihr dann ganz konkret aus dem Weg gehen zu können. Die reale Gefahr ist tatsächlich und wirklich, und sie ist die Gefahr mit der wir umgehen müssen. Man weicht aus, flieht oder kämpft! Die Angst, die aus dieser realen Gefahr erwächst, ist ursächlich, natürlich und Bestandteil unseres Lebens.

Was uns krank macht ist die irreale Angst. Diese ist nicht wirklich, sie ist eingebildet, gründet auf Illusionen und wird fälschlicherweise als real erlebt. Der Körper reagiert auf diese falschen Signale, als wären sie echte Signale. Der Körper wird in Aufruhr versetzt, wird zu Gegenmaßnahmen gezwungen für etwas, was es überhaupt nicht gibt.

Eine große Gruppe von Menschen hat die unterschwellige Angst, aus der Geborgenheit der Gemeinschaft herauszufallen, isoliert zu werden und somit einsam und allein dazustehen.

Jeder von uns gehört bestimmten Gruppen an, in denen wir uns wohl und heimisch fühlen. Entwickeln wir aber unser Ich, indem wir zum reifen, selbstständigen Menschen werden, müssen wir uns immer mehr von unserer Gruppe entfernen. Wir erleben die Einsamkeit, die Angst, je mehr wir von der Masse der Menschen weggehen. Mit dem Prozess des Selbst-Werdens geht die Angst einher.

Dies ist mit einer Pyramide zu vergleichen. Die Grundfläche ist eine breite, feste Basis von Menschen mit ähnlichen Merkmalen. Man ist hier vollkommen abgesichert (meint man). Je weiter ich nun in der Pyramide nach oben steige, desto weniger Menschen sind um mich. Ganz oben stehe ich mutterseelenallein. Hier bin ich völlig aus der Sicherheit der Gruppe herausgetreten. Je weiter ich nach oben gehe, desto stärker muss ich sein, denn die Angst rückt ebenfalls mit jedem Schritt näher. Diese Angst, die als Herausfallen aus der Geborgenheit erlebt wird, wurde ja in den ersten Lebensminuten hier auf der Erde tatsächlich erlebt. Und nicht nur die Angst davor: Es geschah tatsächlich!

Jeder von uns fiel heraus, musste herausfallen aus dem Mutterleib, aus der Glückseligkeit, aus dem beglückenden kosmischen Bewusstsein, sonst wäre er ja nicht hier.

Gegen diese Angst nun entwickeln wir ausgefeilte Strategien. Man kann sie man scheinbar überwinden, indem man sich zum Beispiel an einen Partner klammert. Am besten ist es dann, wenn ich mir diesen Partner abhängig mache. Jede Lockerung dieser Abhängigkeit bedeutet nun alleingelassen werden, verlassen werden, bedeutet Verzweiflung und Traurigkeit. Diese Angst, die als „Depression“ bezeichnet wird und die man oft „grundlos“ nennt, ist immer Verlustangst, wobei der Verlust nicht ein Mensch sein muss. Es können Erinnerungen an vergangene Zeiten sein, an Plätze, an Orte, an eine Wohnung, die man besonders liebte, und vieles mehr.

Ein wesentlicher Grundzug, der dieser Angst folgt, ist das Hinnehmen, ist mangelndes Durchsetzungsvermögen, ist Nachgeben. Wer sich weigert, voll und verantwortlich erwachsen zu werden, wird zum Objekt anderer oder des Lebens
allgemein.

Wer die Verantwortung erwachsen zu werden nicht übernimmt, schafft dadurch eine Bereitschaft, sich schuldig zu fühlen. Schuldig sein und minderwertig sein erzeugen Angst vor dem Leben.

Nach außen hin kann dies alles in einem positiven Kleid erscheinen: Mitgefühl, Mitleid, Verständnisbereitschaft, Einfühlungsvermögen, Tugenden, die so mancher mit Stolz vor sich herträgt. Die scheinbare moralische Position, die moralische Überlegenheit ist das Trostpflaster für ein versäumtes Leben!

Die zweite große Angstgruppe zeigt genau die gegenteiligen Merkmale, nämlich tiefe Angst vor mitmenschlicher Nähe. Es sind dies die kühlen, unpersönlich wirkenden, distanzierten Menschen, die vielleicht morgen schon den guten Kontakt von heute bereuen. Sie können nicht vertrauen: Nicht den Mitmenschen, nicht dem Leben. Manchmal trauen sie sich nicht einmal selbst. Sie haben ständig Angst, das eigene „Ich“ zu verlieren, abhängig zu werden, Opfer von anderen Menschen zu werden, sich so sehr anpassen zu müssen, dass ihre eigene Person dabei verloren geht.

Diese so stolzen und unnahbaren Menschen können zu Bündeln der Angst werden, Angst die gut unter der zugehaltenen Decke kocht. Isolation macht feindlich. Durch Isolation wird Kontakt verloren. Ohne Wechselbeziehung mit der Umwelt geht die Orientierung verloren. Ohne Orientierung an seinen Mitmenschen entstehen Zweifel, ob die Wirklichkeit, die ich erlebe, die wirkliche Wirklichkeit ist. Gibt es vielleicht zwei Wirklichkeiten? Die Wirklichkeit „da draußen“ und eine eigene, selbstgeschaffene, innere Realität?

Diese Menschen ziehen den Verstand und die Logik als ihre Helfer heran. Für sie sind Gefühle trügerisch und gefährlich und deshalb geht der Verstand und das sogenannte rationale Handeln über alles. Die Intelligenz entwickelt sich hier normal oder gar überdurchschnittlich, die Seele ist unterentwickelt. Es sieht so aus, als würden alle zum Leben notwendigen Gefühle in einen anderen Kanal laufen als der Verstand, so als wären dies zwei völlig getrennte Dinge, als hätten sie keine Verbindung zueinander.

Die Angst vor der Nähe wird nun mit dem untauglichsten Mittel bekämpft, das es überhaupt gibt: Man versucht die Unabhängigkeit von der Welt immer mehr zu vergrößern. Doch, je stärker die Isolation, desto stärker entwickelt sich die Angst und so geht dieser Teufelskreis weiter.

Was diese Menschen, wenn sie mächtig sind, so gefährlich macht, ist dies, dass sie zerstören. Dass sie sich selbst zerstören, das ginge noch an, aber sie zerstören in vielfältiger Weise das Leben überhaupt, unsere Lebensgrundlage, unsere Erde.

Die dritte große Gruppe der Mitmenschen wird geprägt durch die Angst vor der Vergänglichkeit. Wir sind geboren worden und haben uns in der folgenden Zeit, nach Kindheit und Jugend, häuslich eingerichtet. Das können wir in der Regel ruhig wörtlich nehmen. Wir haben nicht nur Beziehungen aufgebaut, wir haben auch ein wie auch immer geartetes Gleichgewicht geschaffen.

Wir gründen unser Dasein auf diesem Planeten Erde, als ob die Zielsetzungen ewig weitergingen, als ob das Hier sein unbegrenzt wäre, als ob es eine statische Welt gäbe, als ob Zukunft voraussehbar sein, als ob wir mit irgendetwas rechnen könnten, das bleibend wäre.

Die Sicherheit geht diesen Menschen über alles. Ihr Antrieb ist die Angst vor der Vergänglichkeit: Etwas, was ich besitze, könnte plötzlich nicht mehr da sein, etwas das ich denke und glaube, könnte sie plötzlich als falsch erweisen. Ändere ich eine Verhaltensweise, dann war die vorige falsch. Das kann nicht sein und wird nicht sein!

Hinter jeder erstarrten, leblosen Lebensregel, sei sie religiös, politisch oder sonst wie motiviert, steht die Angst vor der Veränderung, die Angst vor der Vergänglichkeit, die Angst vor dem Tod.

Man nennt diese Sicherheits-Menschen auch deshalb „zwanghaft“, weil sie alles um sich herum ihrem Willen unterordnen wollen. Allem Lebendigen, über das sie Macht haben, zwingen sie ihre Norm auf. Hier kann nichts leicht oder gar locker genommen werden. Hier kann man nicht einmal fünfe gerade sein lassen. Um Gottes willen! Da bricht ja die Weltordnung zusammen! Wenn ich nicht alle und alles kontrolliere, wenn ich nur ein wenig lockerlasse, dann bricht das totale Chaos aus – eine unglaubliche Angst!

Die vierte Form der Angst ist genau wieder das Gegenteil dessen, was eben beschrieben wurde. Es ist die Angst vor dem Endgültigen, dem Unausweichlichen, die Angst, die Freiheit zu verlieren und eingeengt zu werden. Regeln, Gesetze, Gewohnheiten, alles was festgefügt und statisch ist, was festzuhalten droht, was einengt und begrenzt erscheint ist gefährlich und bedrohlich. Es ist die Angst vor Erstarrung, vor der Endgültigkeit.

Die Angst die Freiheit zu verlieren und durch Ordnungen oder Regeln eingeengt zu werden, ist bei diesen Menschen riesengroß. Darum ist ständige Veränderung angesagt. Alles Neue wird bejaht, Risiko wird eingegangen und die ungewisse
Zukunft ist die große Chance. Der neuste Stand der Wissenschaft ist nicht der aktuelle Stand des Irrtums, sondern die definitive Erkenntnis, auf die wir schon so lange warten!

Nichts ist verbindlich, was mit meiner Person zu tun hat, nichts ist für mich verpflichtend und einmal ist sowieso keinmal. „Alles ist relativ“, „genieße das Leben“, „nutze die Gelegenheit“, „es lebe der Augenblick und das Abenteuer“ „neue Reize
braucht der Mensch!“

Die tatsächliche biologische Welt passt natürlich in keiner Weise in dieses System – darum darf man die Realität nicht zur Kenntnis nehmen. Die Welt der Tatsachen ist zu ignorieren, soweit dies nun einmal möglich ist. Man schneidert sich seine eigenen Realitätskleider selbst und baut sich seine eigene Brille, welche die Welt so zeigt, wie ich sie mir wünsche. Es wird bagatellisiert, relativiert, ausgewichen, weggesehen, um eine Freiheit zu erlangen, die eine absolute Scheinfreiheit ist.

Aber was ist eine Freiheit wert die auf Illusionen aufbaut, welche die Phantasie zur Realität erklärt?

Wo zeigt hier die Angst ihre sichtbare Gestalt? Welches Schlupfloch sucht sie sich, um ans Tageslicht zu kommen? Sie kommt auf Umwegen und mit vielen Gesichtern: Platzangst in Räumen oder Fahrstühlen, Tierängste aller Art Höhenangst, Brückenangst und viele gänzlich irreale Ängste mehr. Hier findet die große Angstverschiebung statt, hin zu völlig harmlosen Dingen wie Bakterien, Blindschleichen, Spinnen oder zur grässlichen Maus.

Angst:

  • erzeugt Energie, ist Energie, die sich nicht vernichten lässt
  • ist ein Synonym für den Gott der Religionen
  • macht verschlossen und hart
  • vor mir selbst spiegelt sich in Angst vor anderen Menschen
  • ist die Abwesenheit von Liebe, ist die Gegenseite der Liebe
  • kann ich nicht loswerden. Ich kann sie lediglich erkennen und dann umformen
  • kann nur durch Verstehen transformiert werden
  • kann sich in aggressive Wut (gegen andere oder gegen mich selbst) verwandeln. Dies vermindert zwar die Angst, befreit aber nicht die Energie von ihrer negativen Kraft
  • muss ich in Liebe umformen, um mich von ihr zu befreien
  • existiert niemals im Jetzt-Moment, sie bezieht sich immer auf etwas, das in der Zukunft passieren könnte (dies ist kaum einem Menschen bewusst)
  • ist niemals ein Problem der Wirklichkeit – wenn sie gerade passiert – immer ein Problem der gedanklichen Vorstellung
  • Vorstellung und Realität treffen niemals zusammen, da Angst Bestandteil des denkenden Verstandes ist. Dadurch wird Angst virtuell, wie alles, was dieses Verstandessegment produziert.

Alle Angst ist Angst vor dem Unbekannten. Alle Angst gründet sich auf der Grunderkenntnis meiner Endlichkeit. Jede Form der Angst kann nur überwunden werden, wenn die Angst vor dem Tod überwunden wird. Daher ist es unabdingbar, dass ich um meine kosmische Identität weiß. Erst dann werde ich fähig tatsächlich zu leben.

Angst beginnt sich umzuformen,

  • wenn ich sie verstehe
  • wenn ich sie fühlen kann und mir dämmert, dass eigentlich Liebe mein Problem ist
  • wenn ich beginne mich selbst zu lieben und das konditionierte „Lieben” anderer hintenanstelle
  • wenn ich die Wirklichkeit ohne den denkenden, den grübelnden Verstand sehe
  • wenn ich die Antworten anderer nicht mehr als meine eigenen betrachte, wenn ich ihren Antworten nicht mehr nachstrebe
  • wenn ich das Prinzip der Liebe als das Grundprinzip alles Seins erkenne
  • wenn ich weich werde, offen und verletzlich und in Resonanz gehe zu allem was ist, auch zu den Bäumen, zu den Bergen, zu den Wasserläufen – und zu den Menschen
  • wenn ich alles loslasse was ich weiß und zu staunen beginne; staunen über die Wunder des Lebens auf diesem Planeten
  • wenn ich keine Antworten mehr suche, die mir vorgaukeln, dass ich etwas wüsste
  • wenn ich mich mit dem Tod anfreunde, auf den ich zugehe
  • wenn ich mich tief auf dieses mein materielles Leben einlasse
  • wenn ich die All-Einheit, „das Ganze” begreife indem ich mich hineinwerfe, indem ich darin eintauche, indem ich mein letztendliches Verschwinden darin akzeptiere

Jeder von uns muss wissen und fühlen:

  • Ich habe das Lebensrecht, keine Angst zu haben. Ich habe das Recht, alle Angst von mir wegzujagen.
  • Ich kann sie wegjagen, wenn ich sie zuvor aufdecke, identifiziere, vielleicht sogar benenne und wenn mein Entschluss, Freude am Leben zu finden, riesengroß ist.
  • Um die Angst verjagen zu können, muss ich Bilanz ziehen, muss ich eine Bestandsaufnahme machen.
  • Mit der Technik des reinen Beobachtens habe ich ein hervorragendes Mittel in der Hand, um zu sehen, wo ich stehe. Vollkommenheit ist nicht erreichbar. Vollkommenheit ist nicht wünschenswert.

Irgendwo zwischen all diesen Formen der Angst stecken wir alle mit unseren Wünschen, unseren Hoffnungen unseren Sehnsüchten. Jeder sucht seine Ergänzung, jeder möchte geachtet werden, jeder möchte lieben können, jeder möchte seine Angst überwinden. Überwinden kann ich aber nur, was ich als wirklich, als existent erkannt habe. Und nur mit dem Realen darf ich mich auseinandersetzen.

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