Historisch – Die Suche nach der unbekannten Energie

Wenn wir die Fragen nach den Lebensvorgängen betrachten, wobei wir im Sinne der Quantenphysik auch die nicht-lebende Materie mit einbeziehen müssen, dann scheint es drei Stufen der Erkenntnis zu geben:

Die erste Stufe ist die der Schulwissenschaft, der messenden und zerlegenden Wissenschaft, die unbedingt als solche ihre Berechtigung hat.

Die zweite Stufe, mit der sich das Paradigma des 21. Jahrhundert beschäftigt, ist die Suche nach dem Steuerungssystem des Lebens. Viele echte, engagierte Wissenschaftler haben sich darüber Gedanken gemacht und experimentiert, wurden aber in gemeinsamen Anstrengungen von Schulwissenschaft und Großindustrie mundtot gemacht. Diese Form der geistigen Unterdrückung geht zwangsläufig ihrem Ende entgegen!

Die dritte Stufe ist die Frage nach dem “Steuermann”, nach der Wesenheit der Verursachung, nach dem Sinn des ganzen lebenden Systems Universum. Hier wird noch für lange Zeit ein Nichtwissen bleiben, denn wenn wir, wie Ken Wilber meint, erst bei der Halbzeit der Evolution angekommen sind, liegt noch ein weiter, weiter Weg vor uns. (1)

Aber vielleicht greift ja bei uns das, was in der Biologie als “100-Affen-Effekt” bekannt ist. Dieser besagt: wenn irgendwo auf der Welt eine Population einen starken Lernfortschritt gemacht hat , (z.B. die Bananenschale mit einem Biss in die obere Bananenschalenkrümmung zu öffnen), dass dieses Wissen dann gleichzeitig auf der ganzen Erde angewandt wird. Viele menschliche Erfindungen wurden gleichzeitig an mindestens zwei voneinander unabhängigen Orten in der Welt gemacht. Dies deutet darauf hin, dass dieser “100-Affen-Effekt” auch bei unserer Art greifen könnte. (Warum sollte diese auch ausgenommen sein?)

Unterstellen wir dies, dann müsste dieser “Quantensprung” des Neuen Denkens, mit dem wir uns ja auch hier befassen, überall dort auf der Erde stattfinden, wo Menschen mit einer Denkstruktur sind, die dieses neue Denken aufnehmen können. Das hieße auch, dass die prognostizierte Katastrophe, der “Weltuntergang” durch technischen Irrsinn eben nicht stattfindet. Das hieße, dass unsere Mutter Erde, dieses wunderbare Lebewesen, tatsächlich zu retten wäre bzw. dass sie nicht dazu gezwungen wird, ihre Peiniger zu eliminieren.

Viele Menschen erhoffen derzeit in all ihrer Verzweiflung eine Hilfe aus den Weiten des Universums. Die Hilferufe, die hinausgesandt werden, sind mit Sicherheit unüberhörbar. Die Rufer wünschen sich eine Wiederholung der Kommunikation mit den Kindern anderer Sterne, wie es im Alten Testament, besonders in Hesekiel, so eindrucksvoll beschrieben wird. (2)

Wir dürfen uns aber nicht in Wunschvorstellungen und Hoffnungen verlieren, denn dann werden wir wieder zu dem, was wir sein sollen, nämlich Manipulationsmaterial für die Herrschenden. Und das gilt es nun wirklich zu vermeiden. Stattdessen sollten wir den eingeschlagenen Weg weiter verfolgen, nämlich den, der uns zum Steuerungssystem des Lebendigen führen kann.
 

Die Aura des Menschen

Wenn wir zum Ziel haben, die Abstrahlung lebender und nicht lebender Systeme zu verstehen, um diese dann sogar zu fühlen und gar „messen“ zu können, dann müssen wir mit dem Phänomen „Aura“ beginnen.

Die Geschichte der alten und immer wieder aktuellen Aura ist gleichsam eine Frühgeschichte des Vitalismus, jener westlichen Philosophie, die etwa von 1750 an ein Jahrhundert lang in der Biologie und in der Philosophie breiten Raum einnahm. Der Begriff gründet sich auf dem lateinischen Wort vitalis, „zum Leben gehörend“ oder „lebenskräftig“.

Vitalismus ist die Lehre von der eigenen Gesetzlichkeit alles Lebendigen, von einer Lebenskraft, die uns unbekannt ist und die alle lebenden Erscheinungen hervorbringt. Es ist das Suchen und vielleicht Wissen um die Gestaltungsebene, die Formgebungsebene, die Steuerung, die hinter dem, wie Goethe sagt, Urphänomen steht. Es bleibt uns unbenommen, „Gott“ dazu zu sagen.

Diese biologische Formgestaltung, die Formerschaffung, die von Driesch postulierte und von Sheldrake populär weitergeführte Morphogenese, erklärt die Funktionen des Lebendigen nicht aus chemisch-physikalischen Kräften heraus. Antrieb ist eine eigenständige, noch nicht erforschte „Lebenskraft“, eine „Lebensenergie“, die nicht nur unsere Formen erschafft, sie hält diese auch am Leben. Diese Energie ist sozusagen eine Gesetzlichkeit über allen anderen Gesetzen. Sie wird, außer mit den alten, schon erwähnten östlichen Begriffen, auch als „Lebensautonomie“, als „Seelische Kraft“, als „Entelechie“, als „Dominante“ oder als „Telelogie“ bezeichnet. Es gibt viele Deutungen und viele Namen, die diese „Lebensenergie“ zu erklären versuchen.

Außer dem Stoffwechsel, der durch das Aufsaugen von Ordnung am Leben erhalten wird, gibt es diese zweite, lebenserhaltende Energie. Sie kommt aus dem Universum und bildet quasi einen zweiten, nichtsichtbaren „Körper“ um uns. Es ist der Körper, der unser Sein als Mensch überhaupt erst ausmacht. Er könnte das sein, was wir „Seele“ nennen und was unser eigentliches Ich ist, falls es ein Ich überhaupt gibt. Auf jeden Fall ist es die Steuerungs- und Informationsebene für unseren Körper.

In vielen Kulturen tauchen die Vorstellungen auf, dass der Mensch neben oder besser über seinem stofflichen Körper einen Energiekörper habe. Selbst im Christentum ist ein Rest dieses Gedankengutes in den Heiligenscheinen noch vorhanden. Nicht nur im Buddhismus und in der Yoga-Lehre Indiens finden sich diese Vorstellungen, auch die Ureinwohner Afrikas kennen zumindest den „Schatten“ als unsichtbaren zweiten Körper. Die Hawaiianer sprechen von drei nicht sichtbaren Schattenkörpern; bei den Aborigines in Australien zerfällt der nicht physische Menschen-“Körper“ beim Tod in drei Teile.

Auch Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, lehrt, dass es wesentlich mehr gibt als nur diesen uns bekannten physischen Körper. Er spricht vom physischen Leib, in dem die gleichen Stoffe und Kräfte wirksam sind wie im Mineral. Danach kommt der Ätherleib oder der Lebensleib „als ein zweites Glied der menschlichen Wesenheit“.(3) Steiner weist ausdrücklich darauf hin, dass das Wort „Leib“ hier natürlich nur ein begrifflicher Notbehelf darstellt. Und er geht über den Menschen hinaus, in dem er sagt, dass alles Lebendige, auch die Pflanze, einen solchen Ätherleib habe.

Dies deckt sich gut mit den Erkenntnissen der Radiästhesie. Es ist für uns überhaupt keine Schwierigkeit, diesen Ätherleib der Pflanze, nämlich ihre Aura, mit der Einhandrute festzustellen, und zwar bis auf den Zentimeter genau! Hochinteressant wird es auch bei uralten Bäumen. Hier kann die feststellbare Aura schon einmal 20 bis 40 Meter betragen.

Das dritte Glied der menschlichen Wesenheit ist bei Steiner der Astralleib. Dieser beinhaltet die Wachheit des Menschen und des Tieres, das Bewusstsein.

Das vierte Glied ist das „Ich“, das Bleibende, das Dauernde, die Erinnerung, welche die Vergangenheit bewahren kann. Steiner schreibt: „Niemals kann von außen an eines Menschen Ohr der Name ‘Ich’ dringen; nur das Wesen selbst kann ihn auf sich anwenden. ‘Ich bin ein Ich nur für mich; für jeden anderen bin ich ein Du; und jeder andere ist für mich ein Du.’ Diese Tatsache ist der äußere Ausdruck einer tief bedeutsamen Wahrheit. Das eigentliche Wesen des ‘Ich’ ist von allem Äusseren unabhängig; deshalb kann ihm sein Name auch von keinem Äusseren zugerufen werden.“(4)

Für den bahnbrechenden Arzt von Hohenheim (1493-1541), genannt Paracelsus, der als erster moderner Mediziner gilt, gibt es ein „äußeres“ Prinzip – den Körper, ein „inneres“ Prinzip – der innere „astrale“ Mensch und ein „innerstes“ Prinzip – den Gott im Menschen. Paracelsus, der mit seiner Betrachtungsweise nach innen, nicht nach außen geht, nennt
ebenfalls den „astralen“ Menschen den Schatten des sichtbaren Körpers. Dieser Schatten ist nichtmateriell, quasi die vor dem Körper seiende Ur-Gestalt, der Archetypus, der Archäus, wie Paracelsus ihn nennt.

Und Paracelsus Definition von Krankheit ist heute, über 400 Jahre danach, wieder hochaktuell: Wenn der Astralkörper sich unregelmäßig, abnorm verhält, wird als Folge davon der Mensch krank. Krankheit entsteht im nicht-stofflichen Bereich und schwingt sich dann in unseren stofflichen Körper.

Durchgängig herrscht die Meinung, dass dieser nicht-stoffliche, oder, etwas verwirrend, auch feinstoffliche Körper, im Gegensatz zu unserem dreidimensionalen, grobstofflichen aus Licht bestehe.

Die alten Ägypter sahen das so – der Grieche Damaskios schreibt darüber – ebenso die Chinesen, die Tibeter und die Inder. Selbst die Römer umgeben ihre Götter ab und an mit einer leuchtenden Aura. Der Heiligenschein ist jedem Christen ein Begriff. Von der Aura wird hier vom „himmlischen“ oder vom „geistlichen“ Körper gesprochen. Wir lesen in 1. Korinther 15, Vers 40 und 44:
Und es sind himmlische Körper und irdische Körper; aber eine andere Herrlichkeit haben die himmlischen und eine andere die irdischen. Es wird gesät ein natürlicher Leib und es wird auferstehen ein geistlicher Leib. Ist ein natürlicher Leib, so ist auch ein geistlicher Leib.“

Es ist dies die nicht sichtbare Energie des Äthers, jener universellen Kraft, jene anima mundi, jene Seele der Welt, die man sich als alles Durchdringende feinstoffliche Substanz vorstellte. Diese Substanz war eben so fein, dass unser normales Auge sie nicht wahrnehmen konnte. Für etwa einhundert Jahre musste die Äther-Theorie und mit ihr der Vitalismus das Feld räumen. Erstens, weil dies das Jahrhundert der Rationalisten war, die alles Nicht-Messbare als okkult hinwegfegten und zweitens, weil ausgerechnet Albert Einstein mit seiner speziellen Relativitätstheorie alle Felder im Raum als elektromagnetische erklären konnte.

Der eine Aspekt, der die Quantenphysik ausmacht, eben die Relativitätstheorie, würgt den vitalistischen Gedanken mit ab, aber der zweite Aspekt, die Quantenmechanik, verhilft dem Vitalismus zu einem ungeahnten Comeback. Selbst Rupert Sheldrake, der sich dagegen wehrt ein Vitalist zu sein – er ist einer! Er ist einer der jungen Wegbereiter für ein neues vitalistisches Denken.

Die indische und die tibetische Version der verschiedenen Körper ist hier bei uns die bekannteste, besonders durch die indische Yoga-Lehre. Neben dem grob-physikalischen Körper, den wir kennen, gibt es also noch den ätherischen Körper, der unserem allseits bekannten Körper am nächsten kommt. Ersetzt man, gemäß den Erkenntnissen der Quantenphysik, die „Substanz“ durch „biodynamisches Feld“ oder „elektrodynamisches Feld“, dann gehen Aspekte des Äthergedankens von damals in unser heutiges Denken über!

Dieser ätherische Körper ist die Steuerungsebene unseres dreidimensionalen Körpers. Er ist die innerste Auraschale, etwa von 40 cm bis 1,20 m vom Körper entfernt, die radiästhetisch genau aufspürbar ist. Hier ist auch zu sehen, ob der Mensch in seiner Mitte steht, das heißt tatsächlich inmitten seiner Aura, oder ob diese durch Krankheit, durch einen Schock oder eine psychische Verletzung ausgebeult ist.

Wenn wir diese radiästhetisch messbare innere Auraschale verzehnfachen, so haben wir eine Radius-Vorstellung des nicht-sichtbaren Körpers, mit dem wir uns bewegen. Oder besser umgekehrt: der nicht sichtbare Körper bewegt so den sichtbaren. In Menschenmengen haben deshalb die Zeitgenossen mit enger Aura die besseren Karten. Menschen mit einer großen Aura findet man selten bei Massenveranstaltungen. Sie können sich schon unwohl fühlen, wenn nur einige Menschen anwesend sind, die ihnen nicht behagen.

Es sind dies meist die großen, schmalen Menschen mit den feingliedrigen, langen Fingern, die eher an niedrigem als an zu hohem Blutdruck leiden, die morgens nicht aus dem Bett kommen und eigentlich immer zu kalt haben. Die kleinen lustigen „Dicken“, die sich oft in Gesellschaft so richtig wohl fühlen, das sind in der Regel diejenigen mit einer kleinen Aura.

Wenn wir von „Lebensenergie“ und von „Aura“ gesprochen haben, so sind dies nichtsichtbare Energie-Manifestationen, die, in welcher Form auch immer, um den menschlichen Körper sind. Die Lebensenergie, die wir in uns aufnehmen, die wir, sozusagen wie unsere Mahlzeiten, zu uns nehmen, muss nun auf irgend eine Art in unseren Körper hineinkommen.
 

Die Chakren des Menschen

Die Chakren oder auch die Chakras sind diese Verbindungsstellen zwischen Lebens-Energie und sichtbarem Körper. Sie sind die Energie-Eingangspforten, die sich in verschiedenen Farben und streng symmetrisch aufgeteilt wie Räder um den Körper drehen. In Kanälen, den Meridianen, dringt nun die Energie, die an den sogenannten Akupunkturpunkten in den Körper gelangt, durch unser biologisches System und löst die notwendigen chemischen Reaktionen aus. Fließt keine Energie oder wird diese am Fließen gehindert, werden wir krank.

Die chinesische Heilkunst, die auf der Akupunktur beruht, besteht darin, diese die Krankheit verursachenden Energieblockaden durch schwache, dünne Einstiche zu lösen. Wenn die Energie wieder fließt, können die Selbstheilungskräfte des Körpers neu in Aktion treten und den Heilungsprozess in Gang setzen. Dazu bedarf es keiner chemischen Medikamente. Es sind Energieblockaden, die das Gleichgewicht (Yin/Yang) im Menschen verändern und das verursachen, was wir dann „Krankheit“ nennen.

Die Yoga-Philosophie (Yoga – Sanskrit: vereinigen) geht von der auch im Westen bekannten Tatsache aus, dass sich das Verhältnis von Großhirn und Kleinhirn im Menschen nicht harmonisch entwickelt hat. Es scheint da einen Konflikt zu geben.

Das Kleinhirn ist der Sitz unseres uralten Bewusstseins, das man heute „Unterbewusstsein“ nennt, mit seinen Ahnungen von längst Vergangenem, mit seinen Gefühlen und Träumen. Übergestülpt hat sich das Großhirn mit unserem „Jetzt-Bewusstsein“, mit seiner technischen Intelligenz und seinem analytischen Verstand. Und dieses Großhirn ist noch einmal geteilt in zwei symmetrische Hirnhälften.

Schon von der Hirnstruktur her sind wir Menschen zerrissen. Yoga bemüht sich nun, zusammenzufügen. Groß- und Kleinhirn, das Bewusstsein des Gewordenen und das Bewusstsein des Jetztseins gilt es als Einheit zu sehen. Diese Einheit, das individuelle Sein oder Bewusstsein, tritt dann in Kontakt mit dem Bewusstsein des Kosmos, dessen Kinder wir sind.

Yoga ist eine Methode, um in die Richtung dieses kosmischen Bewusstseins zu gelangen. Erst wenn wir fähig dazu werden, uns von der Vorstellung der eigenen persönlichen Größe zu befreien, vom Wahn des riesengroßen individuellen Ichs, das die Welt sozusagen „im Griff“ hat, erst dann kann ein Spüren dessen beginnen, was sich kosmisches Bewusstsein nennt.

Yoga hat das Ziel, auf allen möglichen Ebenen zur Einheit zu gelangen. Besonders Verstand und Gefühl, Geist und Körper sollen eine Einheit bilden. Die Arbeit mit dem Körper wird deshalb dazu benutzt, um über ihn an unserem Geist arbeiten zu können.

Durch bestimmte Yogaübungen steigt nun Energie „entlang der Wirbelsäule nach oben und durchfließt sechs psychische Zentren, bevor sie ihr endgültiges Ziel – das siebte Zentrum – erreicht (…). Hier findet abermals eine Verschmelzung statt, und der tätige Geist wird dadurch völlig ausgeschaltet. Beide Großhirnhälften kommen zur Ruhe, der innere Dialog hört auf, und man verliert das Gefühl für Zeit und Raum (…). Chakras kann man weder von einem materiellen noch von einem physischen Standpunkt her erklären, denn Chakras sind rein psychischer Natur. Genauso wie man ein Gemälde nicht beschreiben kann, indem man Linien, Kurven und verschiedene Farbschattierungen schildert – obwohl diese ohne Zweifel die Basis des Bildes sind, – genauso wenig kann man Chakras mit psychologischen, physiologischen oder irgendwelchen anderen wissenschaftlichen Ausdrücken erklären.

Trotzdem sind die Chakras die Zentren für das Wirken der verfeinerten Lebenskraft (…). Das Wort Chakra bedeutet soviel wie Kreis, Rad oder auch Bewegung. Da alles im Körper kreisförmig und in ständiger Bewegung ist, werden die Zentren dieser Bewegung Chakras genannt.“ (5) Sie teilen sich in symmetrische Schwingungsfelder, gleich Speichen eines Rades.

Das erste Chakra (Muhalar-Chakra)

Dieses erste Chakra dreht sich im Becken, am Anfang der Wirbelsäule und ist etwa drei Wirbel hoch. Es ist viergeteilt.
Im ersten Chakra vereinigen sich die Grundaspekte menschlichen Daseins, vor allem die Sexualität. Jegliches geistige Wachstum hat hier seine Wurzeln und seinen Beginn.

Das zweite Chakra (Swadhisthan-Chakra)

Das zweite Chakra dreht sich im Verdauungsbereich, unterhalb des Magens. Es ist sechsgeteilt.
Hier entwickelt sich das Verlangen nach körperlicher und geistiger Aktivität. Zur Sexualität kommt der Zustand der Ernährung und des Schlafes, aber auch die Eifersucht, das Mitleid, der Neid und die Freude werden diesem Chakra zugerechnet. Es sind die Grundelemente des psychischen Lebens, die sich hier aufbauen.

Das dritte Chakra (Manipura-Chakra)

Das dritte Chakra dreht sich um den Solar-Plexus, um das „Sonnengeflecht“ im Oberbauch, drei fingerbreit über dem Nabel. Es hat zehn Schwingungsteile; hier fließt die Energie schon in 10 differenzierten Dimensionen.
In diesem Chakra entwickelt sich das Ego des Menschen, seine Identität. Sie darf jedoch nicht beim Bestreben nach persönlicher Macht stehen bleiben. Das Karma, also die Handlungsweise, muss bewusst werden, um zur notwendigen Ausgeglichenheit zu gelangen.

Das vierte Chakra (Anahata-Chakra)

Das vierte Chakra dreht sich um das Herz und schwingt in zwölf Schwingungsfeldern.
Entwickelt sich dieses vierte Chakra, so wirkt sich dies besonders auf die sprachliche Seite des Menschen aus. Niedere Beweggründe oder Begierden können hier überwunden werden und innere Kraft entsteht, um dann Herr über sich selbst zu sein. „Wer im vierten Chakra ruht, hat sich über zeitliche und räumliche Begrenzungen hinweg entwickelt, ist unabhängig geworden und übt durch seine Ausstrahlung eine starke Anziehungskraft auf andere aus. Sein Leben wird für andere zur Quelle der Inspiration, in seiner Gegenwart fühlt man Ruhe und Frieden“. (6)

Das fünfte Chakra (Vishuddh-Chakra)

Dieses fünfte Chakra dreht sich am Hals des Menschen, am Halsschlagader-Nervengeflecht und hat sechzehn Schwingungsfelder.
Durch dieses Chakra verfeinert sich das Hören, auch das für unredliche Worte. Hier entwickelt sich das Verständnis für das Menschliche und die Mitmenschen. Herr über sich selbst, seiner Sinne und seiner Gefühle ist jener, der in diesem Chakra ungehindert schwingt. Zu achten ist hier auf den möglichen negativen Aspekt des Wissens und des Intellektes.

Das sechste Chakra (Agya-Chakra)

Dieses sechste Chakra dreht sich um die Zirbeldrüse, um den Punkt zwischen den Augenbrauen und hat 96 Schwingungsfelder. Die so ungemein wichtige Zirbeldrüse, die ja alle Drüsenfunktionen des Körpers steuert und den Bewegungsfluss der Rückenmarksflüssigkeit mitreguliert, wird so bestens mit Energie versorgt.
Dieses Chakra kann sich zu einer sichtbaren Kopfaura, zum „Heiligenschein“ entwickeln. Wer hier schwingt, der sieht seine Vergangenheit, erkennt die Gegenwart und weiß um das Kommende der Zukunft. Sein kosmisches Bewusstsein ist entwickelt. Er kann nicht mehr herrschen und nicht mehr beherrscht werden. Er ist, der er ist.

Das siebte Chakra (Sahastrar-Chakra)

Dieses Chakra „sitzt“ wie ein Kreis auf dem Schädel und schwingt in 960 Schwingungsfeldern. Es ist auch für den Yogi nicht erreichbar.
Es ist die Göttlichkeit, die Unsterblichkeit. Hier ist die Leere, hier ist Prana und alle Wünsche, alle Gefühle haben sich aufgelöst. Es ist die leere „Leinwand“, auf der sich der Kosmos spiegelt. Die Illusion des individuellen Selbst ist verschwunden.


Der Vitalismus bis Hans Driesch

Der Vitalismus gründet sich auf Aristoteles, der überhaupt als dessen Vertreter im Altertum gilt. Bis ins 18. Jahrhundert hinein hat seine Theorie vom Leben Gültigkeit, auf die sich die Biologie, die Lehre von dem Lebendigen, stützt.

In seinen Schriften: „Von der Zeugung und Entwicklung der Tiere“ und „Drei Bücher über die Seele“ sind die grundlegenden vitalistischen Gedanken zu finden, die erst Jahrhunderte später wieder aufgegriffen und weitergeführt wurden. So gesehen gibt es eine gerade Linie, die mit Sicherheit über Hans Driesch hinausführt.

Aristoteles sagt in seiner Entwicklungstheorie: “Denn notwendig muss jedes Entstehende aus Etwas entstehen und durch Etwas und als Etwas.“(1)

Die Frage ist die, durch was nun etwas entsteht. Nehmen wir z.B. eine Marmorstatue, vielleicht ein wunderschöner Frauen- oder Männerkörper. Wodurch oder durch was ist sie entstanden? Durch die Wirklichkeitswerdung im Geiste des Bildhauers, durch die Dynamis, sagt Aristoteles. Es ist dies die gestaltende Kraft, die Möglichkeit, die der Bildhauer dann zum Ausdruck bringen kann. Diese Möglichkeit ist schon im rohen Marmorblock enthalten, sie muss nur realisiert werden. Diese potentielle Möglichkeit nennt Aristoteles Entelechie. Es ist der Grund des Energiestromes, es ist dessen formende Kraft. Es ist die erschaffende Kraft vor der Energie, die mit ihren Absichten den Impuls an die Energie gibt, sich nach ihrem Willen zu formen. Diese Entelechie in ihrer deutschen, wörtlichen Übersetzung heißt: “Was sein Ziel in sich selbst hat“.

Sheldrake schreibt dazu: „Zum Leben gehört also ein Energiestrom, den man als Aspekt des universalen Energiestroms auffassen kann, und ein formatives (2) Prinzip, das einem Organismus gleichsam sein Ziel vorgibt, zu dem seine Lebensprozesse hingezogen werden. Worin nun aber dieses formative Prinzip besteht, das ist die große Frage. Schon seit mehr als dreihundert Jahren ist nun die Wissenschaft vom Leben (3) der Schauplatz eines endlosen und manchmal erbittert geführten Disputs über eben diese Frage.“ (4)

Der zu seiner Zeit weit bekannte Professor der Biologie, der Embryologe und Philosoph Dr. Hans Driesch übernahm diesen Begriff der Entelechie und formte eine umfassende vitalistische Theorie daraus. Voller Hochachtung schreibt Sheldrake über seinen Vorkämpfer, der, zeitweise als „Okkultist“ geschmäht und vergessen, nun durch die Quantenmechanik wieder zu einer ungeahnten Aktualität gelangt: „In Anlehnung an Aristoteles nannte er den nichtmateriellen zielgerichteten Vitalfaktor ‘Entelechie’. Für ihn enthielt die Entelechie eines Organismus irgendwie die Form oder den Plan seiner ausgewachsenen Gestalt und zog den sich entwickelnden Organismus zu diesem Ziel hin. Innerhalb dieses Organismus sah Driesch eine geschachtelte Hierarchie von Entelechien, etwa die Entelechie des Auges und in dieser wiederum Entelechien seiner Teile, also der Netzhaut, der Linse und so weiter. Die Gene, so sagte er, sind für die chemische Seite des Aufbaus eines Organismus verantwortlich; Aber wie diese chemischen Stoffe in Augen, Blättern, Federn und Gehirnen zu Zellen, Geweben und Organen gefügt werden, das hängt von den Entelechien ab.

Driesch glaubte, dass die Entelechie den physikalischen und chemischen Prozessen im Organismus, die, sich selbst überlassen, regellos (…) ablaufen würden, eine Ordnung gibt. “ (5)

Driesch war mit seiner Theorie der Zeit voraus und in der Welt der Physik Newtons war kein Platz für solch einen Denkansatz: „Dies schien eine fatale Schwäche seiner Theorie zu sein, denn dass irgend ein mysteriöser Vitalfaktor die Physik außer Kraft setzen könne, war einfach undenkbar.
Wie eine Ironie der Geschichte mutet es an, dass Drieschs Theorie erst in den zwanziger Jahren, als die mechanistische Theorie sich die Vormachtstellung in der akademischen Biologie erobert hatte und der Vitalismus als überwundene Irrlehre galt, durch die Quantenrevolution erheblich an Plausibilität gewann…
Die mechanistische Biologie hat alle vitalistischen Argumente schon immer aus Prinzip abgelehnt. Entelechien und sonstige Vitalfaktoren sind für sie lediglich Relikte eines Aberglaubens aus animistischer Vergangenheit, die im rationalen wissenschaftlichen Diskurs einfach keinen Platz haben. Eine wissenschaftliche Erklärung muss mechanistisch sein, sonst taugt sie von vornherein nichts.
“(6)

Die Entelechie im Vitalismus ist also die Ursache eines Verhaltens auf ein Ziel zu, die Steuerungsebene, die alles Notwendige koordiniert, um zu diesem gesetzten Ziel zu gelangen. Die Entelechie lenkt die Formentstehung, „die Morphogenese des sich entwickelnden Organismus auf die charakteristische Form seiner Art hin. Die Gene stellen die materiellen Mittel der Morphogenese, die chemischen Substanzen, die in eine bestimmte Ordnung gefasst werden, doch das Ordnen selbst ist die Aufgabe der Entelechie.

In ähnlicher Weise stellt etwa das Nervensystem die Mittel für das Verhalten eines Tieres, doch die Entelechie organisiert das Verhalten und benutzt den Organismus als ein Instrument, wie ein Pianist den Flügel als Instrument benutzt“. (7)

Es liest sich befreiend, mit welchen Worten Sheldrake Driesch rehabilitiert. Dies ist wiederum so ein Kapitel, das uns zeigt, mit welch größter Vorsicht man dem „Wissen“ des wissenschaftlichen Establishments begegnen sollte.

Die eigene, denkende Unabhängigkeit bewahren, das ist hier das oberste Ziel, das sich jeder von uns für sein Leben setzen sollte und das unter allen Umständen an die uns Nachfolgenden weitergegeben werden muss!

Hier noch einmal Sheldrake: „Doch wie seltsam: Gerade gegen Ende der zwanziger Jahre, als die meisten Biologen den Vitalismus für endgültig erledigt hielten, wurde die Physik von ebenso ungeahnten wie ungeheueren Umwälzungen erschüttert. Heisenberg formulierte 1927 sein „Unschärfe“-Prinzip, und als die Quantentheorie sich entwickelte, wurde deutlich, dass physikalische Prozesse auf der atomaren und subatomaren Ebene nicht voll determiniert (8) sind und sich nur statistisch als Wahrscheinlichkeiten voraussagen lassen. (…)
Driesch widersprach nicht der Auffassung, dass an organischen Prozessen manches mechanistisch zu erklären sei; er kannte die Bedeutung der Enzyme und anderer Proteine und glaubte auch, dass man für die Gene schließlich eine chemische Erklärung finden würde
wie es dann auch tatsächlich der Fall war. Er blieb jedoch dabei, dass Entwicklung und Verhalten auf mechanistische Weise niemals erschöpfend zu erklären sein werden, sondern nur unter dem Gesichtspunkt zielgerichteter Organisationsprinzipien zu verstehen seien.

Diese Behauptung konnte bis heute nicht entkräftet werden. Über die physikalische und chemische Seite der Morphogenese wissen wir nach wie vor sehr wenig, und die Organisationsprinzipien der Vitalisten, von der mechanistischen Theorie einst verworfen, sind in neuer Aufmachung als „egoistische Gene“, „genetische Programme“ und dergleichen zurückgekehrt. Das Paradigma der neueren Biologie erweist sich bei näherer Betrachtung sogar als eine Art genetischer Vitalismus.“(9)

Wer ist nun, zwischen Aristoteles und Hans Driesch noch alles zu nennen, der sich als Philosoph oder als Wissenschaftler aktiv mit dem Vitalismus beschäftigt hat? Natürlich werden uns die Namen wenig sagen, schon allein deshalb, weil uns niemand diese gelehrt hat. Hier zeigt sich wieder: Wer legt fest, was wir lernen, wer bestimmt die Inhalte und sichert dadurch wessen Interessen? Ich finde, diese vergessenen Forscher sollten die Ehre haben, wenigstens genannt zu werden.

Wenn ich die vielen Namen nenne, dann auch deshalb, um zu zeigen, wie groß die Zahl der Wissenschaftler war, die sich mit den Problemen um die „Lebens-Strahlung“ beschäftigten. Als zu ihrer Zeit bekannte „Vitalisten“ sind zu nennen:

William Harvesy (1578 – 1657)

Er ist der Entdecker des Blutkreislaufes und in seinem Buch „Exercitationes de generatione animalium“ erörtert er die Entwicklungsprozesse der Natur. Seiner Theorie der Empfängnis wird Beachtung geschenkt . Das Ei nach der Befruchtung ist nicht ein Teil der Mutter, es lebt in ihr, wie der Pilz auf dem Baume, ein eigenes Leben. Es ist nicht das Werk des Uterus, sondern das der Seele.

Georg Ernst Stahl (1660 – 1735)

Stahl war lange Jahre Professor in Halle und lehrte: „Die wahre bewußte Seele ist Urgrund des Lebens, sie, ein dreifaches Wesen (ens triplex), nämlich ein aktives, bewegendes und vernünfiges (ens activum, movens et intelligens), schafft sich den Körper, weil sie ein „instrumentum“ braucht. Nur also wegen der Seele und durch sie und aus keinem anderen Grunde existiert der Organismus.“ (10)

George Louis Leclerc Buffon (1702 – 1788)

In seiner 1799 veröffentlichten „Histoire naturelle“ geht er der Frage nach, ob im Samenkorn schon alle zukünftigen Samenkörner enthalten sind, und er kommt zu der Erkenntnis: Nein.
Er spricht von einer „inneren Form“ , von einer „moule interne“, welches die Entwicklung leitet und welches der wachsenden Materie ihre Ordnung gibt. Jenes „moule interne“ stammt nicht von einer existenten Form, sondern von Kräften, welche aus dem Lebendigen kommen. Der Präsident der damaligen Berliner Akademie Maupertius, der unter dem starken Einfluss Buffons 1746 seine „Venus physique“ über die Formbildung schrieb, ist hier genau so zu nennen wie der englische Jesuit Turberville Needham, der über die „Urzeugung“ spekulierte.

Caspar Friedrich Wolff (1733 – 1794)

Er wurde durch seine „Theoria generationis“ weit bekannt, besonders beschäftigte er sich mit dem Maschinendenken der Mechanisten. Hier kommt er zu dem in ganz einfachen Worten vorgetragenen Schluss: „So kann denn also das Fazit gezogen, die eingangs aufgestellte „Grundfrage“ beantwortet werden: Die in Entwicklung begriffenen Körper sind nicht Maschinen. Die sich entwickelnde Substanz ist von der Maschine, von der sie eingehüllt ist, wohl zu unterscheiden. Die Maschine aber ist als Ergebnis derselben anzusehen.“ (11)

J. F. Blumenbach ( 1752 – 1840)

Dieser Forscher macht mit zwei Schriften von sich reden, und zwar mit den „Institutiones physiologicae“ von 1787 und der ersten deutschsprachigen Veröffentlichung der Biologie „Über den Bildungstrieb“ 1789.
Blumenbach fügt zu den Lebenskräften noch einen „Bildungstrieb“ hinzu, den „nisus formativus“. „Sein Bereich ist die Formbildung: er leitet sie, erhält sie durch Ernährung und stellt sie nach Verstümmelungen wieder her; er ist eine den lebenden Körpern eigentümliche Kraft.“(12)

J. Ch. Reil (1759 – 1813)

Er gilt als erster Vertreter einer vitalistischen „Lebensstofftheorie“. Für ihn liegt der Materie eine „Idee“ zugrunde. Sein Problem, das er behandelt, heißt: „Wie man von der Idee zur Materie kommt“.

G. R. Treviranus

benutzt als erster den Begriff „Biologie“. 1802 – 1822 erschienen von ihm sechs Bände „Biologie oder Philosophie der lebenden Natur“. Bei Treviranus wird der Name Biologie zum ersten Male zur Kennzeichnung des Ganzen der Lehre vom Lebendigen verwendet:
Die Gegenstände unserer Nachforschungen werden die verschiedenen Formen und Erscheinungen des Lebens sein, die Bedingungen und Gesetze, unter welchen dieser Zustand stattfindet, und die Ursachen, wodurch derselbe bewirkt wird. Die Wissenschaft, die sich mit diesen Gegenständen beschäftigt, werden wir mit dem Namen Biologie oder Lebenslehre bezeichnen.“ (13)

Johannes Müller

urde mit seinem „Handbuch der Physiologie des Menschen bekannt, das 1833 zum ersten Male erschien. Müller spricht von „Lebensreizen“ oder von „integrierenden Reizen“, welche die organischen Kräfte beleben sollen. Er unterscheidet „Vegetationskraft, Bewegungskraft, Empfindungskraft; alles stammt von dem „primum movens“ her, welches immer Spezifizierteres erzeugt. Die Vernunft, welche analogienhaft jenem prinum movens zuzuschreiben ist, übersteigt die menschliche bei weitem: alle Probleme der Physik sind vor dieser schaffenden Tätigkeit gelöst.“(14)

Eduard Montgomery,

er amerikanische Biologe und Philosoph, von Hause aus Arzt, publizierte 1881 „The Substantiality of Life“.
Montgomery wendet sich „auf Grund einer Analyse der Protoplasmabewegung, der Muskelkontraktion, der Teilbarkeit der Infusorien, der Regeneration überhaupt, ausdrücklich gegen jede Maschinentheorie als eigentliche Grundlage der organischen Phänomene. Die Lebenssubstanz ist es, die, nach Störungen, immer wieder ihre Integrität herstellt.“ (15)

Neben all diesen Forschern sind noch zu nennen: Paul Nikolaus Cossmann mit seiner 1899 veröffentlichten Schrift: „Elemente der empirischen Teleologie“, Eugen Albrecht mit seinen „Vorfragen der Biologie“ 1899 und Johannes Reinke mit „Gedanken über das Wesen der Organisation“ 1899.

Am Ende dieses Überblicks steht das Werk Hans Drieschs, das ebenfalls 1899 erschien: „Die Lokalisation morphogenetischer Vorgänge“. Driesch war da gerade 33 Jahre alt! Fast hundert Jahre sollte es dauern, bis die Morphogenese, die Formbildung des Lebendigen, mit aller Kraft Auferstehung feiern konnte. Die Neue Physik, die Mutter aller Wissenschaften, hat dazu, trotz Albert Einstein, den Weg geebnet.

Unter denen, die im 19. Jahrhundert den Kampf gegen die immer mächtiger werdenden Mechanisten führen, welche ja wirkliche und spektakuläre Erfolge aufzuweisen hatten, wären zu nennen:

E. H. Weber, ab 1818 Lehrer an der Universität zu Leipzig, Emil du Bois-Reymonds mit seinen „Untersuchungen über tierische Electrizität!“ von 1848; Rudolph Virchow mit „Cellularpathologie“ 1858 und „Vier Reden über Leben und Kranksein“ 1862; Carl Ludwig, mit „Lehrbuch der Physiologie des Menschen“, 1852.

Mit der Darwinschen Lehre war in der Biologie der Sieg der mechanistischen Anschauungsweise über das vitalistische Prinzip entschieden. Wegweisend war Darwins 1860 erschienene Arbeit: „Über die Entstehung der Arten“ sowie 1871: „Die Abstammung des Menschen“.

Die junge physikalische Richtung begrüßte in ihr die Bekrönung und Vollendung des Werkes einer Lehre vom Leben, die keine anderen Kräfte kennt, als die physikalischen und chemischen Kräfte der anorganischen Welt, die die Erscheinungen des pflanzlichen und tierischen Lebens rein nach dem Kausalitätsprinzip ohne Zuhilfenahme einer nach Zwecken wirkenden Lebenskraft zu begreifen suchte…. Die mechanistische Anschauungsweise (gelangte) nunmehr zur unumschränkten Herrschaft in der deutschen Biologie, und ihre Schule hat diese Herrschaft bis in die neueste Zeit hinein behauptet“. (16)

Inmitten des sich allmächtig fühlenden Materialismus ist einer unbeirrt seinen eigenen Weg gegangen: der 1944 verstorbene Biologe Jakob von Uexküll. Er, längst vergessen, war ein großartiger Vitalist, dessen letztes Buch von Frau und Sohn 1950 veröffentlicht wurde. Beide schrieben ins Vorwort, dass „der einzige Weg jeder Naturwissenschaft (sei): die Naturphänomene nicht voreilig durch eine vorgefasste Meinung zu vergewaltigen, sondern sie möglichst in ihrer ganzen Fülle zu beobachten und offenzulassen, um an ihnen die verschiedenen Vorstellungen und Hypothesen zu prüfen und zuzusehen, ob sie sich bewähren oder ob sie versagen.
Dieses Vorgehen ist sich bewusst, dass die Naturphänomene den Maßstab für unsere Regeln bilden und dass niemals umgekehrt die Regeln der Naturwissenschaft den Maßstab für die Natur abgeben können
.“(17)

Was mir zu lesen großes Vergnügen bereitet hat, war sein Büchlein: „Der unsterbliche Geist der Natur“, in dem er, in Gespräche verkleidet, mit großer sprachlicher Leichtigkeit die schwierigsten Themen behandelte. Mit einem kleinen Auszug daraus, einem Gespräch zwischen Erzähler, einem Maler namens v. W. und einem Zoologen soll das Thema „Vitalismus“ hier beendet sein. (Es wird dabei gleichzeitig klar, warum Staat und Kirche mit Macht auf das Ende des Vitalismus hingearbeitet haben):

„‘Schuld, Sühne und Läuterung des Menschen sind die einzigen Themata der großen Dichtung. Glücklich ist der zu preisen, der bloß die Qualen des Purgatorio (18) zu erdulden hat, denn ihm winkt nach jahrhundertlanger Pein endlich doch die Erlösung. Unsäglich aber sind die Leiden der zur ewigen Qual Verdammten. Hier ist die Natur völlig ausgeschaltet, und der Mensch steht unmittelbar unter dem grausamen Gesetz Gottes. Oder, besser gesagt, unter dem Gesetz des grausamen Gottes, denn dieser hat das Gesetz geschaffen.

Im Lauf der Jahrhunderte hatte der Charakter Gottes immer schrecklichere Züge angenommen. Um ihn zu besänftigen, mußten ihm immer neue Opfer dargebracht werden. Hexen- und Ketzerprozesse mit Folter und Scheiterhaufen drohten das ganze bürgerliche Leben Europas zu überwuchern. Die Gemütsstimmung der damaligen Menschen hat Michelangelo in seinem jüngsten Gericht in unerhört eindringlicher Weise festgehalten. In grandioser Geste erhebt Jesus seine verdammende Hand: ‘Fahrt alle zur Hölle.’ Kein Zug erinnert an jenen Jesus, der einst im Jordantale gerufen hatte: ‘Kommt her zu mir alle ihr Mühseligen und Beladenen, ich will euch erquicken.’ Immer wieder frage ich mich’, schloss v.W., ‘wie war ein solcher Umschwung möglich?’

‘Jedenfalls’, sagte ich, ‘hat diese widerwärtige Offenbarung des Johannes, die in der Ausmalung jeder Art von Scheußlichkeit schwelgt, die Hauptrolle dabei gespielt. Aber es gibt noch andere Ursachen. Jesus hatte von der göttlichen Liebe und Gnade gepredigt, die allen Menschen zuteil werden sollte. Schon bei Paulus finden wir den Hinweis darauf, daß der Glaube die Vorbedingung für die Erlangung der Gnade sei. Dafür ist auch Luther mit der ganzen Wucht seiner Persönlichkeit eingetreten. Calvin lehrte weiter, daß der Glaube nicht ohne göttliche Gnade zu erringen sei. Damit wurde die Lehre Christi in ihr Gegenteil verkehrt. Dies ist die wahre Tragödie des Christentums. Die Selbstgerechten, die sich im Besitz der Gnade fühlen, führten, wo sie zur Herrschaft gelangten, einen unerbittlichen Feldzug gegen alles, was Geist oder Natur hieß.’

Der Zoologe stimmte mir lebhaft bei und zitierte die Verse aus dem zweiten Teil des Faust:
‘Natur und Geist – so spricht man nicht zu Christen.
Deshalb verbrennt man Atheisten,
Weil solche Reden höchst gefährlich sind.
Natur ist Sünde, Geist ist Teufel,
sie hegen zwischen sich den Zweifel,
Ihr mißgestaltet Zwitterkind.’

Dann fuhr der Zoologe fort: ‘Es ist das unsterbliche Verdienst der Naturwissenschaft, der Herrschaft des bösen Dämons Gott ein Ende gemacht zu haben. Die beiden großen Vorkämpfer gegen Gott heißen Giordano Bruno und Charles Darwin. Zu Ende des 16. Jahrhunderts erhob sich das Himmelsgewölbe, wie wir es auch noch heute vor uns sehen, zwar nicht in 20 Meter Entfernung wie im Planetarium, aber doch schätzungsweise nicht mehr als 30 Kilometer über uns – als eherner Bau. Über dieser Himmelfeste trohnte der böse Gott, der alle Verfehlungen der Menschen mit scharfem Auge erkannte und mit Krieg, Pest und Feuersbrunst unerbittlich strafte (…). Das Himmelsgewölbe, das die Paläste und Gärten Gottes trug, umgab wie die Schale eines Eies die frei im Raum schwebende Erde.

Und nun kam Giordano Bruno (19) und zerschlug die Schale des Welteneies und eröffnete der erstaunten und beglückten Menschheit den Einblick in die Unendlichkeit des Raumes. Die Fixsterne waren nicht mehr an die eherne Wand des Himmels genagelte goldene Knöpfe, sondern wurden zu goldenen Barken, die frei in weiten Abständen voneinander den Äther durchfuhren. Die ganze Herrlichkeit der Gottespaläste hatte sich ins Wesenlose verflüchtigt.’

‘Wenn ich so ein großer Künstler wäre wie Sie‘, wandte sich der Zoologe jetzt zum Maler, ‘so würde ich als Gegenstück zum Jüngsten Gericht ein großes Wandgemälde entwerfen. Unten sieht man Giordano Bruno auf dem Scheiterhaufen stehen. Aber die Flammen, die ihn verbrennen sollen, schlagen zum Himmel empor und setzen das Himmelgewölbe wie eine schlechte Theaterkulisse in Brand. Darüber sieht man die Gottesstadt mit ihren prunkvollen Palästen zusammenstürzen und in Rauch und Asche aufgehen, und mit ihnen fallen die Engel und Heiligen der ewigen Vernichtung anheim. Ganz in der Ferne sieht man als Siegeszeichen die Sterne des großen Bären wie goldene Kugeln aufleuchten.

Auch zu Ehren Darwins würde ich ein Kolossalgemälde entwerfen. In der Mitte des Bildes steht Darwin, der mit der Faust eine riesige Spinne gefaßt hat, die inmitten ihres Gewebes sitzt. Zahllose Fäden ziehen sich von hier aus über die ganze Oberfläche der Erde, die wie ein bunter Teppich sich zu Füßen Darwins ausbreitet. Darwins Faust zerdückt die giftige Spinne, die man bisher als Gottheit verehrt hat und zerreißt ihr Gewebe.’

Der Zoologe hatte sich in Feuer geredet, umso eindrucksvoller klangen die Worte des Hausherrn: ‘Es ist bedauerlich, daß Sie die beiden Gemälde nicht wirklich ausgeführt haben, sie würden als vortreffliche Einführung in die dritte Weltanschauung dienen können. Wir haben bisher den Polytheismus und den Monotheismus besprochen, und nun kommen wir dank Ihren Ausführungen mitten in den Atheismus hinein (…)’

‘Man hat immer behauptet, es sei, seit Bruno die Himmelskuppel zerschlagen habe, sinnlos geworden, das ‘Vater unser, der Du bist im Himmel’ zu beten. Dieser Einwurf trifft nur den Vorstellungsraum, aber nicht den Anschauungsraum. Denn wo könnte Gott als reiner Geist eher zu finden sein, als in der ewigen Stille des raumlosen und gestaltlosen Jenseits der blauen Himmelkuppel.

Was nun Darwins Tat anbetrifft, so ist nicht zu leugnen, daß er, indem er den Mittelpunkt des ganzen Gewebes ausschaltete, das gesamte Weltgefüge in Unordnung gebracht hat. Wenn an Stelle des göttlichen Planes der Zufall tritt, so wird aus dem Planeten ein Stückwerk. Wenn Sie Darwin als gewaltigen Gott-Töter feiern, so tun Sie ihm zu viel Ehre an. Daran hat er nie gedacht, als er uns mit dem Kampf ums Dasein als dem allgemeinen Auslesemittel des Passenden in der Welt beglückte. Die dauernde Variabilität aller lebenden Gebilde werden Sie selbst nicht aufrechterhalten können, nachdem Sie mich selbst davon überzeugt haben, daß die Frösche vor 8 Millionen Jahren das gleiche Gewebe besaßen wie die Frösche unserer Tage. In dieser Zeit aber werden die größten Ansprüche an die Variabilität gestellt; wie viele Vögel und Säugetiere entstanden in dieser Zeitspanne? (…) Nur Kinder kann man mit Darwins Lehre befriedigen. Wenn man aber ernsthaft die naturgegebenen Beziehungen der Lebewesen ins Auge faßt, wird ihre Haltlosigkeit offenkundig.

Ich nehme als beliebiges Beispiel den Bitterling…. Wenn das Männchen dieses kleinen Fisches zur Paarungszeit in die Nähe einer Teichmuschel gerät, so legt es sein farbiges Hochzeitskleid an. Nicht der Anblick des Weibchens, sondern der Anblick der Teichmuschel und vor allem der Reiz ihres Atemwasserstromes veranlassen die nun einsetzende prächtige Färbung des Männchens. Ich nehme an – wobei ich mich auf Beispiele aus dem Vogelleben stütze -, daß das männliche Prachtgewand gar nicht der Bezauberung des Weibchens dient, sondern auf andere Männchen abschreckend zu wirken bestimmt ist. Das Weibchen, das sich gleichzeitig mit dem Männchen der Muschel nähert, beantwortet die gleichen Muschelreize mit dem Auswachsen ihres Legestachels. Das Männchen umkreist das Weibchen und entläßt sein Sperma ins Wasser, so daß das Weibchen sein Ei bereits befruchtet in die Atemröhre der Muschel einführt und an die Kieme befestigt, wo die jungen Larven einen von Nahrung umspülten und vor der Außenwelt geschützten Brutplatz finden. Und nun frage ich Sie, ist es nicht kindisch, dieses reizende Naturtrio auf den Kampf ums Dasein und die Auslese des Passenden zurückführen zu wollen?’

‘Wenn die Logik versagt’, erwiderte ich, ‘ist es immer angezeigt, zur Anschauung zurückzukehren. Denn die Logik verhält sich zur Anschauung wie ein Park mit geschorenen Alleen zum freiwachsenden Walde. Werfen Sie einen Blick auf diesen wundervollen Sternenhimmel über uns. Haben wir es mit einzelnen Massenkörpern zu tun, die sich nach Ansicht der Atheisten planlos umeinander drehen, oder sind die Sternbilder lebende Figuren eines großartigen Schachspieles, wie der Polytheismus lehrt, oder handelt es sich um ein riesiges Ziffernblatt der Weltuhr mit den Planeten als Zeigern, die der große Uhrmacher des Weltalls geschaffen hat, damit die Menschen ihr Schicksal davon ablesen können? Oder ist der Sternenhimmel nur das Abbild des ewigen Rätsels der Natur, die ruhend handelt und handelnd ruht?’“ (20)

Über all denen, die sich zur Schule Aristoteles zählen, darf schließlich jener überragende Mensch natürlich nicht vergessen werden, der sein Gedankengut von Platon abgeleitet hat:

Johann Wolfgang von Goethe

Vielen ist nicht bekannt, dass Goethe auch ein großer Naturforscher in bester vitalistischer Tradition war. Seine botanischen und anatomischen Arbeiten sowie seine Farbenlehre sind äußerst lesenswert. Die 13 Bände naturwissenschaftlicher Schriften in der Weimarer Ausgabe stellen ein gewaltiges naturwissenschaftliches Werk dar! Auch seine Nähe zu Platon ist sprichwörtlich: „Er (Platon) ‘verhält sich zur Welt’, heißt es an der berühmten Stelle der Geschichte der Farbenlehre, ‘so wie ein seliger Geist, dem es beliebt, einige Zeit bei ihr zu herbergen’“. (21)

Der Goethe, der mit unserem Thema zu tun hat, ist der Naturforscher Goethe, ein durch und durch religiöser Mensch und voll unendlicher Ehrfurcht vor dem Lebendigen. Wenn er jedoch von „Gott“ spricht, meint er beileibe nicht den christlichen Gott. Es ergeben sich da gewisse Verständnisprobleme, da er seine Vorstellungen in der uns bekannten christlichen Terminologie wiedergibt, die für den in christlichen Begriffen denkenden Menschen aber einen völlig anderen Inhalt hat.

Gott ist für Goethe das Prinzip, das in uns allen und in jedem lebenden Wesen ist. Natürlich formuliert er es wesentlich geschliffener als dies z. B. Schrödinger versuchte, aber es ist die gleiche uralte Sicht vom Wesen des Seins. In diesem Sinne war Goethe kein Christ, obwohl man sagt, „Jesus hätte ihn zum teuersten Freunde gehabt, wäre er ihm begegnet“.(22)

Ich bin sicher, so oder ähnlich geht es heute noch vielen Menschen, die sich vom Christentum abgewandt haben. Goethe denkt da nicht anders als Heinrich Heine in seinem bekannten Gedicht, das da endet: „Ich kenne die Weisen, / ich kenne den Text, / ich kenne die Herren Verfasser; / ich weiß, sie trinken heimlich Wein / und predigen öffentlich Wasser.“

Von der christlichen Religion und ihren Vertretern hatte Goethe eine sehr klare Meinung, die ich nicht interpretierend, sondern im Original-Zitat wiedergeben möchte. Ich bin glücklich, diese Texte Goethes in seinem riesigen Werk gefunden zu haben, gehören sie doch zu jenen, die man tunlichst nicht zitiert. Wegen der Grundsätzlichkeit der Aussagen, durch die wir einen Goethe erleben, wie er uns normalerweise nicht genannt wird, nimmt das Zitat einen ungewöhnlich großen Raum ein:

„Dadurch, daß der christlichen Kirche der Glaube beiwohnt, daß sie als Nachfolgerin Christi von der Last der menschlichen Sünde befreien könne, ist sie eine sehr große Macht. … Freilich ist gar viel Dummes in den Satzungen der Kirche. Aber sie will herrschen, und da muß sie eine bornierte Masse haben, die sich duckt und die geneigt ist, sich beherrschen zu lassen. Die hohe, reich dotierte Geistlichkeit fürchtet nichts mehr, als die Aufklärung der unteren Massen. Sie hat ihnen auch die Bibel lange genug vorenthalten, so lange als irgend möglich. Was sollte auch ein armes, christliches Gemeindeglied von der fürstlichen Pracht eines reichdotierten Bischofs denken, wenn es dagegen in den Evangelien die Armut und Dürftigkeit Christi sieht, der mit seinen Jüngern in Demut zu Fuß ging, während der fürstliche Bischof in einer von sechs Pferden gezogenen Karosse einherbraust.“(23)

Im Folgenden geht es mit dem guten Goethe regelrecht „durch“, denn er versetzt sich, mittels seiner hohen sprachlichen Fähigkeiten, in die Rolle eines Bischofs:

„Übrigens, wenn ich guter Laune bin, imponiert mir die Frechheit manches Kirchenfürsten, und ich male mir wohl aus, ich möchte auch z.B. in der englischen Staatskirche Bischof sein. Wissen Sie, wie ich es gemacht hätte? (…). Ich hätte in Reimen und Prosa so lange und so viel geheuchelt und gelogen, daß meine 30.000 Pfund jährlich mir nicht hätten entgehen sollen. Und dann, einmal zu dieser Höhe gelangt, würde ich nichts unterlassen haben, mich oben zu erhalten. Besonders würde ich alles getan haben, die Nacht der Unwissenheit womöglich noch finsterer zu machen. O, wie hätte ich die gute, einfältige Masse kajolieren wollen, und wie hätte ich die liebe Schuljugend wollen zurichten lassen, damit niemand hätte wahrnehmen, ja nicht einmal den Mut hätte haben sollen, zu bemerken, daß mein glänzender Zustand auf der Basis der schändlichsten Mißbräuche fundiert sei! (…)

Ich habe übrigens einmal ein Prachtexemplar von einem englichen Kirchenfürsten kennen gelernt, den Lord Bristol, Bischof von Derby; es war in Jena. Er wollte mir im Laufe unseres Gespräches eine Predigt über den ‘Werther’ halten und es mir ins Gewissen schieben, daß ich dadurch die Menschen zum Selbstmord verleitet habe. ‘Der Werther’, sagte er, ‘ist ein ganz unmoralisches, verdammungswürdiges Buch!’ – ‘Halt!’, rief ich, wenn Ihr so über den armen ‘Werther’ redet, welchen Ton wollt Ihr dann gegen die Großen dieser Erde anstimmen, die durch einen einzigen Feldzug hunderttausend Menschen ins Feld schicken, wovon achtzigtausend sich töten und sich gegenseitig zu Mord, Brand und Plünderung anreizen?

Ihr danket Gott nach solchen Greueln und singt ein Tedeum darauf! Und ferner, wenn Ihr Euch durch Predigten über die Schrecken der Höllenstrafen die schwachen Seelen Eurer Gemeinden ängstigt, so daß sie darüber den Verstand verlieren und ihr armseliges Dasein zuletzt in einem Tollhause endigen! Oder wenn Ihre durch manche Eurer orthodoxen, vor der Vernunft unhaltbaren Lehrsätze in die Gemüter Eurer christlichen Zuhörer die verderbliche Saat des Zweifels säet, so daß diese halb starken, halb schwachen Seelen in einem Labyrinth sich verlieren, aus dem für sie kein Ausweg ist als der Tod!

Was sagt Ihr da zu Euch selber, und welche Strafrede haltet Ihr Euch da? – Und nun wollt Ihre einen Schriftsteller zur Rechenschaft ziehen und ein Werk verdammen, das, durch einige beschränkte Geister falsch aufgefaßt, die Welt höchstens von einem Dutzend Dummköpfe und Taugenichtse befreit hat, die gar nichts besseres thun konnten, als den schwachen Rest ihres bißchen Lebens vollends auszublasen! Ich dachte, ich hätte der Menschheit einen wirklichen Dienst geleistet und ihren Dank verdient, und nun kommt Ihr und wollt mir diese gute kleine Waffenthat zum Verbrechen machen, während ihr anderen, ihr Priester und Fürsten, euch so Großes und Starkes erlaubt!

Dieser Ausfall tat auf den Bischof eine herrliche Wirkung. Er ward so sanft wie ein Lamm und benahm sich von nun an mit der größten Höflichkeit und dem feinsten Takt“.(24)

Die Leute traktieren Gott, als wäre das unbegreifliche, gar nicht auszudenkende höchste Wesen nicht viel mehr als ihresgleichen. sie würden sonst nicht sagen: der Herr Gott, der liebe Gott, der gute Gott. Er wird ihnen, besonders den Geistlichen, die ihn täglich im Munde führen, zu einer Phrase, zu einem bloßen Namen, wobei sie sich auch gar nichts denken…..
Und was für schlechte Geschichten hängen diese kleinen Geister der Gottheit an! Nichts gotteslästerlicher als die alte Dogmatik, die einen zornigen, wütenden, ungerechten, parteiischen Gott vorspiegelt. Ich kann auch an keinen Gott glauben, der außerhalb der Welt erhaben thronte (…).
Ich bin gewohnt, die Welt als Naturforscher anzusehen, und als solcher suche ich Gott. Denn die bloße Naturbeschreibung und Benennung der Dinge soll uns nicht genügen. Sie sagt: das ist Tonerde und das ist Kieselerde.
Was helfen mir denn die Teile, was ihre Namen? (…). Was ist auch im Grunde aller Verkehr mit der Natur, wenn wir auf analytischem Wege bloß mit einzelnen materiellen Teilen uns zu schaffen machen und wir nicht das Atmen des Geistes empfinden, der jedem Teile die Richtung vorschreibt und jede Ausschweifung durch ein innewohnendes Gesetz bändigt oder sanktioniert? Hinter jedem Wesen steckt die höhere Idee. Das ist mein Gott, das ist der Gott, den wir alle ewig suchen und zu erschauen hoffen, aber wir können ihn nur ahnen, nicht schauen.
Ich frage nicht, ob dieses höchste Wesen Verstand oder Vernunft habe, sondern ich fühle, es ist der Verstand, es ist die Vernunft selber. Alle Geschöpfe sind davon durchdrungen, und der Mensch hat davon so viel, daß er Teile des Höchsten erkennen mag.
“(25)

Das, was Goethe „Gott“ nennt, „hat sich nach den bekannten imaginierten sechs Schöpfungstagen keineswegs zur Ruhe begeben, vielmehr ist er noch fortwährend wirksam wie am ersten. Diese plumpe Welt aus einfachen Elementen zusammenzusetzen und sie jahraus, jahrein in den Strahlen der Sonne rollen zu lassen, hätte ihm sicher wenig Spaß gemacht, wenn er nicht den Plan gehabt hätte, sich auf dieser materiellen Unterlage eine Pflanzschule für eine Welt von Geistern zu gründen (…). Überall, wo wir das Geniale wahrnehmen, haben wir eine göttliche Offenbarung (…). Und ebenso finden wir Gottesgeist überall, auch in der untersten Menschen- und Tierwelt, da wo wir Güte und Liebe und was sonst die Welt erhält und vorwärts bringt, antreffen.“ (26)

Da gilt nun freilich immer das alte Diktum: daß sich jeder seine eigene Art von Gott macht und daß man niemand den seinigen weder nehmen kann noch soll. Wie einer ist, so ist sein Gott.“ (27)

Als Naturforscher betont Goethe immer wieder, dass beim Studium der Naturvorgänge stets die Zusammenhänge gelten und nicht einzelne Phänomene. Dann gilt es, die Zusammenhänge miteinander zu verknüpfen. Nichts ist für die Wissenschaft schädlicher, als enge, begrenzte Theorien aufzustellen. Jede Erkenntnis darf nicht als solche stehen bleiben, sondern muss zu einer höheren Erkenntnis verknüpft werden und diese wieder zu einer höheren Erkenntnisstufe. Es geht nicht an, allein Phänomene zu beobachten, sondern darum, die Konsequenzen aus den Phänomenen zu ziehen.

Kein Phänomen erklärt sich an und aus sich selbst, nur viele zusammen überschaut, methodisch geordnet, geben zuletzt etwas, was für eine Theorie gelten könnte.“ (28)

Es gilt, so sagt Goethe, die Phänomene, die Erscheinungen, die Manifestationen der Natur in eine kontinuierliche, in eine fortlaufende Reihe zu stellen. Vom einfachsten Fall an lassen sich dann alle anderen Erscheinungen, seien sie dann auch noch so kompliziert, ableiten. Er nennt diesen einfachsten Fall, diese einfachste Erscheinung „Urphänomen“. Dieses „Urbild“ ist für ihn die Grenze des menschlichen Schauens, die letzte Anschaulichkeit. Hinter diesem Urbild, das alles andere nach sich zieht, ist nichts mehr sonst zu finden. Er sagt:
Man suche nur nichts hinter den Phänomenen, sie selbst sind die Lehre.“ (29)

Das Urbild, das ist die Wurzel bestimmter Erscheinungen. Von dieser ausgehend, lassen sich alle weiterführenden Erscheinungen ordnen. Um zu Verallgemeinerungen, zu Prinzipien oder zu Gesetzen zu kommen, auf die sich alle Vorgänge der Natur zurückführen lassen, spricht Goethe von den zwei großen Antrieben der Natur, von der Steigerung und der Polarität. Steigerung heißt, dass sich alle Natur in aufsteigender Linie, vom einfachen zum Komplizierten, entwickelt. Nicht in der Art Auslese, wie Darwin meinte, sondern in einer konsequent fortlaufenden Reihe.

Aus dem Urphänomen wird in höchster Steigerung der komplizierteste Organismus. Durch Goethes Beschäftigung mit der Physik kam der Begriff der Polarität hinzu, der an der Lehre vom Magnetismus anknüpft. Der Magnet, mit seinem gleichzeitigen Anziehen und Abstoßen, ist ein solches physikalisches Urphänomen. Entgegengesetztes sucht ein Ganzes könnte man sagen – besser, polare Gegensätze ergeben ein Ganzes!

Der ewige Gegensatz ist „das Ein- und Ausatmen der Welt in der wir leben“ (30) Goethe reimt:
Magnets Geheimnis, erkläre mir das!/ Kein größres Geheimnis als Liebe und Haß.“ (31)

Diese beiden einfachsten Prinzipien der Steigerung und der Polarität sind gültig für die
gesamte Natur. Für beide Prinzipien gilt die Anschaulichkeit. Nichts ist Goethe hier widerwärtiger als die Mathematik, die für ihn oft nur eine Vortäuschung von Kompetenz darstellt, ein Verfahren, das mit komplizierten Mitteln eben auch nur einfachen Zwecken dient. Sie verführt, seiner Meinung nach, zur Unredlichkeit, weil sie eben nur eine scheinbare Sicherheit vortäuscht.

Für Goethe, der sich wohl auch über seine Mathematiker-Zeitgenossen und ihre Überheblichkeit ärgerte, war eben das anschauliche Verstehen und nicht die Formel das Ziel der Erforschung der Natur. Die Mathematiker setzte er mit den „Meßkünstlern“, eben den Mechanisten, gleich und misstraute ihnen gründlich. Er äußerte über sie: „Die Mathematiker sind Franzosen: redet man zu ihnen, so übersetzen sie es in ihre Sprache und dann ist es alsbald etwas ganz
anderes.
“ (32) Poetisch drückt er es so aus:

„Bewährt den Forscher der Natur
Ein frei und ruhig Schauen,
So folge Meßkunst seiner Spur,
Mit Vorsicht und Vertrauen.
Zwar mag bei einem Menschenkind
Sich beides auch vereinen,
Doch daß es zwei Gewerbe sind,
Das läßt sich nicht verneinen.“ (33)

In seinem Genius hat Goethe die Rolle des objektiven Beobachters, der ja in der Neuen Physik nicht mehr existiert, schon heftig in Frage gestellt:
Bei Betrachtung der Natur im Großen wie im Kleinen habe ich unausgesetzt die Frage gestellt: Ist es der Gegenstand oder bist Du es, der sich hier ausspricht? Die Erscheinung ist vom Beobachter nicht losgelöst, vielmehr in die Individualität desselben verschlungen und verwickelt“ (34)

Goethes Gott liegt in der beseelten Natur, die Natur ist (?) Gott. Sie schafft und erschafft und wirkt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Goethe fordert uns auf, mit nach den Ideen zu suchen, die alle dem, was lebt und was ist, einschließlich uns selbst, zugrunde liegt. Gott ist in uns.

„Was wär‘ ein Gott, der nur von außen stieße,
im Kreis das All am Finger laufen ließe.
Ihm ziemt’s, die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,
so daß, was in ihm lebt und webt und ist,
nie seine Kraft, nie seinen Geist vermißt.“ (35)

Quellenangabe/Erläuterungen

Auf der Suche nach der unbekannten Energie
(1) Wilber, K.: Halbzeit der Evolution, Goldmann 1993
(2) Siehe dazu Hesekiel 1, Kapitel 1
(3) Steiner, R.: Die Geheimwissenschaft im Umriss, Verlag Max Altmann, Leipzig 1910; (4) S. 31
(5) Harish J.: Das große Chakra-Buch, Bauer-Verlag 1979; (6) S. 69

Der Vitalismus bis Hans Driesch
(1) Driesch, H.: Der Vitalismus als Geschichte und als Lehre, Verlag J.A.Barth, Leipzig 1905, S 13
(2) formende Grundidee, die Form bildend
(3) Gemeint ist die Biologie.
(4) Sheldrake, R.: Die Wiedergeburt der Natur, Rowolt 1994, S. 117; (5) S. 124; (6) S. 124f
(7) Sheldrake, R.: Das Gedächtnis der Natur, Piper-Verlag 1997, S. 111
(8) vorbestimmt
(9) Sheldrake, R.: Das Gedächtnis der Natur… S. 112
(10) Driesch, H.: Der Vitalismus als Geschichte…. S. 29; (11) S. 44; (12) S. 55; (13) S. 90; (14) S. 105; (15) S. 152
(16) Braeunig, K.: Mechanismus und Vitalismus, Verlag W. Engelmann, Leipzig 1907
(17) Uexküll, J. v.: Das allmächtige Leben, Ch. Wegener-Verlag 1950, S. 14
(18) Fegefeuer
(19) Giordano Bruno (1548-1600), verbreitete, dass das Universum unendlich sei. Er wurde als Ketzer verbrannt.
(20) Uexküll, J. v.: Der unsterbliche Geist in der Natur, Chr. Wegener Verlag, Hamburg 1946, S. 14-17, 19, 20, 23

Johann Wolfgang von Goethe
(21) Rotten, E.: Goethes Urphänomen und die platonische Idee, Verlag A. Töpelmann, Gießen 1913, S. 3
(22) Goethe, J. W. v.: Meine Religion, mein Glaube, Hrsg: Bode, W., Berlin 1902, Vorwort; (23) S. 55; (24) S. 56f; (25) S. 3f; (26) S. 6f; (27) S. 10
(28) Magnus, R.: Goethe als Naturforscher, J.A. Barth-Verlag, Leipzig 1906, S. 293; (29) S. 294; (30) S. 303; (31) S. 304; (32)(33) S. 307; (34) S. 309; (35) S. 310

Weitere verwendete Literatur zu Goethe:

Schülke, H.: Goethes Ethos, Verlag Der neue Dom, Weimar 1939;
Rittersbacher, K.: Der Naturforscher Goethe in Selbstzeugnissen, Verlag Die Kommenden, Freiburg 1968;
Wiesner, J.: Goethes Urpflanze, in: Natur-Geist-Technik, Verlag W. Engelmann, Leipzig 1910

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